Es war alles angerichtet: Die Nullfünfer hätten „Im Osten die Wende“ einleiten, „die Schmach von 2002 annullieren“ und sich beim Aufstiegsjubiläum von Union revanchieren und damit die Fan-Seele streicheln können. Doch am Ende steht ein 1:1 gegen Union an der alten Försterei – würde ich im Normalfall nehmen. Allerdings nach einer 1:0 Führung gegen eine Mannschaft, die mit Ball am Fuß über ein begrenztes Potential verfügt und dann noch einen seiner wichtigsten Spieler im zentral Defensiven Mittelfeld verliert, ist… ja, was ist das eigentlich?
Mainz 05 ist zurzeit wie ein Elektroauto mit Herzkasper in der Batterie. Man bekommt weder die vollen PS auf die Straße, noch hat man Spaß beim Fahren, trotz durchgedrücktem Gaspedal. Aber hin und wieder verirrt sich ein einsames Volt an den richtigen Pol und die Möhre malt unkontrolliert Kondensstreifen in den dichten Feierabendverkehr.
Das Hauptproblem liegt im Kader, Sandro Schwarz und Achim Beierlorzer sind im Endeffekt Rennfahrer mit Motorschaden. Aber gestern kamen leider auch Coaching-Fehler hinzu. Ab der gelb-roten Karte war klar, wie die zweite Halbzeit laufen würde. Mehr eigener Ballbesitz, sowie tiefstehende und auf Konter und Standards lauernde Unioner. Vor dem Hintergrund einen Unterschiedsspieler wie Öztunali draußen zu lassen, mit Stärken im 1 gegen 1, aber einen spielschwachen 6er mit Kunde drin zu lassen, ist ängstlich. Onisiwo war ein guter Wechsel, aber wie soll jemand vorne treffen, wenn dahinter niemand die Angriffe initiiert?
Gestern war es so, als ob erstmals auch der Fahrer des zickigen Elektroautos etwas den Fuß vom Gaspedal genommen hätte.
Hinzu kommen weitere Punkte, die beim Fan Unwohlsein auslösen. Es ist wirklich kurios, dass Union Berlin mehr Mainzer in den eigenen Reihen hat, mit denen sich der Fan identifizieren kann und die er im eigenen Kader sehnlichst vermisst, an einem unvergessenen Tag, an einem unvergessenen Ort. Es war die Zeit, den Eisernen mal ordentlich die Löffel zu verbiegen und nicht, um den Löffel abzugeben.
Doch was wirklich tief sitzt, ist die offensichtliche Teilnahmslosigkeit, mit der viele Spieler auf dem Platz auflaufen, die dann unter der Woche auf vereinseigenen Plattformen mit vorgekauten Statements relativiert werden sollen. Die Folge davon? Ich fühle mich als Fan von meinem Lieblingsverein nicht ernst genommen, sondern bedrängt. Behaltet eure „Gefühle“ für euch und zeigt mir Emotionen auf dem Platz. Manchmal sagt ein Zweikampf oder Sprint mehr als 1000 Worte.