Rouven Schröder geht. So nüchtern könnte man die Sachlage zusammenfassen, wäre da nicht eine abermals wunderliche Pressekonferenz, die einen hilflosen Aufsichtsratsvorsitzenden präsentierte. Die Lösung soll Christian Heidel sein, der ein Engagement bei Mainz 05 an Schröders Verbleib knüpfte, eigentlich gar nicht mehr in die erste Reihe will und dem jetzt die Pistole auf die Brust gesetzt wird. Währenddessen rast die Mannschaft ungebremst auf die 2. Bundesliga zu und die Zukunft von Trainer Jan-Moritz Lichte ist nach Schröders Abgang vor dem Pokalspiel gegen gut aufgelegte Bochumer ungewisser denn je.
Rouven Schröder kam 2016 zu Mainz 05, das unter Übungsleiter Martin Schmidt und mit dem Wechsel von Christian Heidel nach 25 Jahren zu Schalke 04 eine goldene Ära mit der Qualifikation für die Europaleague erfolgreich abschloss. Heidel ging, doch die nicht zu erwartenden sportlichen Probleme blieben und der Verein läutete einen strukturellen Umbruch ein, der für maximale Unruhe sorgen sollte. Das kurze, aber heftige Kapitel Kaluza führte den Verein an die Grenze dessen, was ein e.V. im Stande ist, ertragen zu können. Erst mit der Wahl von Stefan Hofmann kehrte wieder die benötigte professionelle Ruhe ein. Der strukturelle Umbruch im Verein hatte erstmals gezeigt, mit welchen Gefahren er verbunden sein konnte.
Auch sportlich lief es nach Heidels Abgang nicht rund. Mainz schied in der Gruppenphase der Europaleague aus und geriet in der Liga in akute Abstiegsgefahr, was bei einem kleinen Verein, der erstmals richtig mit der Dreifachbelastung aus Pokal, Euroleague und Bundesliga in Berührung gekommen war, nicht verwunderte. Aber die Gründe lagen tiefer. Martin Schmidt ließ einen nicht mehr zeitgemäßen Fußball spielen, der zwar kurzfristig zu Erfolg führte, aber langfristig die Mainzer ihren taktischevolutionären Vorsprung kostete, der durch Frank, Klopp und Tuchel geprägt worden war. Heidel selbst bereute später, den als Tuchel-Nachfolger und Schmidt-Vorgänger geholten Kasper Hjulmand zu früh entlassen zu haben. Zu groß war die Angst vor der 2. Liga, zu wenig vielversprechend die Weiterentwicklung des eigenen Spielstils damals. Schmidt war aus heutiger Sicht ein spielerischer Rückschritt und eine sportliche Altlast, die Schröder von seinem Vorgänger übernommen hatte. Die Mannschaft beschwerte sich, sie sei unterfordert, taktischen Lösungsansätze seien nicht erkennbar. Aus eben diesen Gründen wurden die späteren Engagements von Schmidt in der Bundesliga bei Augsburg und Wolfsburg aufgelöst. Schröder profilierte sich als Krisenmanager, bewahrte die Ruhe, hielt an Schmidt fest, der die Mainzer zum Klassenerhalt führte, ehe die Wege sich trennten und getreu dem Mainzer Weg Sandro Schwarz aus dem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) an die Bundesligaseitenlinie gestellt wurde. Zur Unterstützung für den Bundesliga-Novizen verpflichtete man den Trainerjahrgangsbesten und erfahrenen Co-Trainer Jan-Moritz Lichte.
Fürs Erste blieb es jedoch beim Abstiegskampf. Schwarz schaffte schließlich den Klassenerhalt und baute zusammen mit Schröder an einem Kader, der sich in den darauffolgenden Spielzeiten stetig tabellarisch verbesserte (16/17 Platz 15, 17/18 Platz 14, 18/19 Platz 12) und in der Saison 18/19 zwischenzeitlich nur einen Punkt von den Europaleagueplätzen entfernt war. Schröder schrieb diese Entwicklung Schwarz zu: „Wir haben wieder einen Trainer gefunden, der unseren Fußball weiterentwickeln will.“ Mutig vorwärts anstatt ängstlich rückwärts – aus dem Kapitel Schmidt hatte man gelernt.
Mit gerade einmal 25 Gegentoren hatte der FSV unter Schwarz die fünfbeste Abwehr und den jüngsten Kader der Liga und stand in der heimischen Coface-Arena sogar defensiv so gut, dass man weniger Tore kassierte als der BVB oder der FC Bayern zu Hause. Rouven Schröders Anteil an dieser Entwicklung ist nicht hoch genug einzuschätzen. Im Sommer 2017 war der in Deutschland unbekannte Abdou Diallo aus Monaco für fünf Millionen Euro verpflichtet worden, der ein Jahr später für fast 30 Millionen Euro zum BVB wechselte und dadurch den Mainzern ungeahnte finanzielle Möglichkeiten einbrachte, die den Grundstein für den heutigen Kader legten. Pierre-Malong Kunde, Jean-Philippe Mateta und Moussa Niakathe wurden eingekauft, oder, wie im Falle von Aarón Martin, durch geschickte Verhandlungen ausgeliehen und mit anschließender Kaufoption an den Verein gebunden. Alle vier schlugen auf Anhieb ein – eine Tatsache, die man aus heutiger Sicht schnell vergisst.
Zur Saison 19/20 wurde Jean-Philippe Gbamin Richtung Everton verkauft und mit Edimilson Fernandes stand bereits die vermeintlich bessere Alternative als 8er in Schwarz bevorzugtem und an Tuchels Spielweise angelehnten 4-4-2 mit Raute bereit. Doch es sollte anders kommen. Mit Gbamin verließ ein Schlüsselspieler Mainz 05, der aufgrund der Startschwierigkeiten von Fernandes nicht ersetzt werden konnte. Spieler wie Kunde, Latza und die gesamte Abwehr der Mainzer hatten von Gbamins Stabilität profitiert. Selbst als dessen Leistungen in seiner letzten Saison schlechter wurden, machte er kaum einfache Fehler und half so mit seiner Spielweise, sich als 8er defensiv auf die 6 fallen zu lassen, und erhielt dadurch die Statik der Mannschaft. Zwar verwaiste der rechte Flügel mit Brosinski und Öztunali, da Gbamin tiefer stand, was das Angriffsspiel der 05er eindimensionaler machte, aber in Bedrängnis brachte es die Mannschaft von Sandro Schwarz noch nicht.
Doch die Saison 19/20 sollte zum ultimativen Albtraum für den FSV mutieren. Schwarz hielt (auch aufgrund zahlreicher Verletzungen) lange an seiner Spielidee fest, seine Mannschaft wurde berechenbar, ging schließlich in Leipzig mit einem heillos überforderten Kunde auf der 6er-Position 8:0 baden und verhalf Julian Nagelsmann zur Revanche für das zuvor versaute Abschiedsspiel in Hoffenheim, das die Mainzer nach 0:2 Rückstand noch zu einem 4:2 umgebogen hatten. Nach der 2:3 Niederlage zu Hause gegen Aufsteiger Union Berlin musste Schwarz gehen. Allerdings nicht auf Wunsch von Rouven Schröder, der das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft als intakt erachtete. Das Duo Schwarz und Schröder, das das Magazin 11Freunde kurz zuvor noch als den Garanten für die erfolgreiche Entwicklung von Mainz 05 ausgemacht hatte und darin den Anfang einer neuen Ära sah, war Geschichte. Die Geduld, die den Verein seit jeher ausgemacht hatte, die Platz für Quereinsteiger ließ und Autoverkäufer zu erfolgreichen Fußballmanagern gemacht hatte, ging verloren. Die Gründe sind in der wie bereits bei Kaluza aufgetretenen Gefahr struktureller Veränderungen innerhalb des Vereins zu suchen.
2017 war Detlef Höhne nach 15 Jahren als Chef der Mainzer Stadtwerke Aufsichtsratsvorsitzender bei Mainz 05 geworden – ein Mann mit ausgeprägtem Machtinstinkt, der in einem Sensor-Magazin-Interview mal sagte:
Allerdings geht es in der Stadtpolitik auch um Macht. Und Macht kommt von machen, also von Menschen, die die Kraft besitzen, Projekte auch durchzusetzen. Daher war das für mich auch immer ein Lob: Der ist mächtig. Der bewegt was in Mainz und geht notfalls auch mal mit dem Kopf durch die Wand.
Eben jener Höhne, der auch „der König von Mainz“ genannt wurde, hatte den FSV zu seinem neuen Projekt gemacht. Als erfahrener Machtmensch, aber unerfahren im Fußballgeschäft, war er anfällig für Unruhen im Umfeld von Mainz 05, das von Anfang an ein schwieriges Verhältnis zu dem manchmal bieder wirkenden Sandro Schwarz hatte, auch weil der Verein unzureichend kommunizierte, was der sportliche Plan von Schwarz gewesen war. Höhne war für die Trennung von Sandro Schwarz mitverantwortlich. Manche Medien berichteten gar von einem quasi Alleingang und immensen Druck, den Höhne intern erzeugt habe – „mit dem Kopf durch die Wand“. In der Mannschaft kam die Entlassung von Schwarz nicht gut an. In der Kabine flossen Tränen und die Enttäuschung war riesig. Es war das erste Mal, dass mit Höhne Stimmungen im Umfeld zu tatsächlichen Konsequenzen auf der Handlungsebene des Vereins führten. Die Mannschaft pflegte einen engen Kontakt zu Schwarz, der auch nach seiner Entlassung nicht abreißen sollte. Wie viel Einfluss Schwarz noch auf die inzwischen von Beierlorzer übernommene Mannschaft hatte und dass Schwarz bereit gewesen wäre, von seiner Spielidee abzuweichen, wurde beim spektakuläre 1:5 Sieg in Hoffenheim deutlich, den der neue Trainer zu großen Teilen Sandro Schwarz zusprach.
Rouven Schröder stand in Folge von Schwarz‘ Entlassung vor einem Dilemma. Der Trainermarkt war nicht üppig aufgestellt und so entschied er sich für Achim Beierlorzer, den er kannte, mit dem er in Fürth bereits zusammengearbeitet hatte, dessen Arbeit in Regensburg vor seinem Wechsel zum 1. FC Köln viel Beachtung gefunden hatte und der im RB-Universum unter Rangnick ausgebildet worden war. Schröder blendete das Kölner-Kapitel aus, gilt Köln doch seit jeher als Paradebeispiel für einen Chaosclub:
Achim Beierlorzer ist ein akribischer und reflektierter Fußballfachmann, der eine enorme persönliche Entwicklung genommen hat. Die Erfahrung, die er beim 1.FC Köln gemacht hat, mindert meine fachliche Einschätzung nicht.
Ein folgenschwerer Fehler, denn es scheiterte wohl an eben jener persönlichen Entwicklung. Inzwischen hört man aus Köln, dass Beierlorzer auch dort Probleme im persönlichen Umgang mit der Mannschaft gehabt haben soll. In Mainz führte das schließlich zum Spielerstreik oder wie der Verein gerne betont: zur spontanen Arbeitsniederlegung.
Einige Spieler schrieben Ex-Trainer Schwarz sogar Nachrichten, in denen sie sich über Beierlorzer beschwert haben sollen. Eine Mannschaft, die mit der Entlassung von Schwarz nicht einverstanden war, erhielt einen im persönlichen Umgang schwierigen Trainer. Das Ergebnis konnte man später in den Schlagzeilen der deutschen Medienlandschaft nachlesen. Die Mannschaft hatte sich über den Trainer Schwarz als gebürtigem Mainzer mit Verein und Stadt identifiziert. Diese Verbindung war gekappt worden und die Probleme traten immer stärker zu Tage, was schließlich zu einer Identitätskrise des Umfelds mit der Mannschaft führte. Spieler wie Brosinski und Aaron forderten einen klareren taktischen Plan.
Doch nicht nur zwischen Mannschaft und Trainer Beierlorzer soll es geknirscht haben, sondern auch zwischen Trainer und Staff. Beratungsresistent und uneinsichtig soll Beierlorzer agiert haben. Rouven Schröder rückte in Folge dieser Entwicklungen noch näher an die Mannschaft heran. Nach dem verhinderten Abstieg 19/20 wollte sich der Mainzer Sportdirektor für die kommende Saison 20/21 wieder mehr auf seine Aufgabenbereiche abseits des Platzes konzentrieren. Beierlorzer die Vorbereitung und die ersten zwei Spiele der neuen Saison zu geben, war ein Resultat dessen und ein weiterer Fehler von Schröder, der die Hoffnung hatte, in Beierlorzer eine langfristige Lösung gefunden zu haben, und vielleicht auch seine eigene Position im Verein nicht schwächen wollte, in dem er den von ihm berufenen Trainer nach weniger als einer Saison wieder entlassen hätte. Denn inzwischen wurde die Kritik an ihm selbst immer lauter, das Umfeld, das bereits Schwarz‘ Abgang gefordert hatte, forderte nun seinen Rauswurf. Nach Beierlorzers Suspendierung Jan-Moritz Lichte als Cheftrainer zu installieren, war wohl der verzweifelte Versuch, die Mannschaft wieder hinter einem Trainer zu versammeln, unter dessen Co-Trainerschaft sie bereits erfolgreich gearbeitete hatte. Letztlich ohne Erfolg – Mainz steht so schlecht da wie niemals zuvor.
Mancher 05-Fan fragt sich, warum der in der Jugend so erfolgreiche Benjamin Hoffmann nicht zum Bundesligatrainer befördert wurde. Allerdings war Hoffmann gerade erst nach Mainz gekommen und wollte sich auf seine Aufgaben in der U19 konzentrieren. Dies war einer der Gründe, warum Volker Kersting ihn für das Mainzer Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) gewinnen wollte. Nach zahlreichen Abgängen im NLZ war man dort darauf bedacht, Ruhe und Kontinuität einkehren zu lassen. Trainer, die sich ihrer Aufgabe bewusst sind und nicht nach oben schielen, bringen die Ruhe und Stabilität mit, die Volker Kersting anstrebt, wie er gegenüber den Hinterhofsängern in der ersten Sommerreportage verriet.
Die Corona-Pandemie erschwerte die Situation des Vereins zusätzlich. Der von Rouven Schröder geplante Umbruch der Mannschaft wurde auf Grunde des durch Covid-19 veränderten Marktes und der eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten verhindert. Schröder sagte im Interview mit den Hinterhofsängern, dass man sich bereits mit Spielern einig gewesen sei und einen Umbruch hätte vollziehen wollen. Die Verpflichtungen von Stöger und Kilian kamen also nicht von ungefähr. Vielmehr waren die beiden Spieler die einzigen realistischen Veränderungen, die Schröder mit Blick auf die erste Mannschaft herbeiführen konnte und die er offenbar bereits zuvor initiiert hatte. Vielen Fans stieß auch der Transfer von Eigengewächs Ridle Baku sauer auf, der für 10 Millionen Euro zum VfL Wolfsburg wechselte, wo er in kurzer Zeit zum Nationalspieler avancierte. Dabei sagte Schröder gegenüber den Hinterhofsängern, dass Baku und sein Management seit einem Jahr auf einen Wechsel gedrängt und somit auch Anteil an der Unruhe in der Mannschaft gehabt hätten. Der Karriereplan des Spielers Baku sah keinen längeren Aufenthalt bei seinem Heimatverein vor. So weh das tun mag, seine DFB-Nominierung gibt ihm recht und Mainz 05 war auf die durch den Verkauf erwirtschafteten finanziellen Mittel angewiesen. Diese Gemengelange trug maßgeblich zum Unmut im Mainzer Umfeld gegenüber Rouven Schröder bei.
Die Situation eskalierte nun in dieser Woche knapp einen Monat vor der digitalen Mitgliederversammlung. Rouven Schröder, in der öffentlichen Wahrnehmung stark angezählt auch aufgrund seiner Trainerentscheidungen, wurde nun scheinbar selbst Opfer des Aufsichtsrats. Jedoch war einigen im Umfeld des Vereins wohl inzwischen klar geworden, dass Schwarz den ihm entgegenbrachten Unmut in solchem Ausmaß nicht verdient hatte. Nach Beierlorzers Rauswurf wünschten sich nicht wenige Fans eine Rückkehr des gebürtigen Mainzers. Höhnes Bild verschlechterte sich aufgrund seiner Rolle bei der Degradierung von Sandro Schwarz und die Stimmungslange ihm gegenüber kippte gegen Ende des Jahres.
Wieder mal, so scheint es, bedient Höhne zum Erhalt des eigenen Einflusses die vermeintlichen Erwartungen des Umfelds, das sich in Teilen immer noch an die Person Christian Heidels als Symbolfigur für bessere, weil erfolgreichere Zeiten klammert. Ein Strategiefehler, Schröder als Vorstandsmitglied nicht in die Überlegungen zur Einsetzung eines vierten Vorstandsmitgliedes einzubeziehen, scheint nicht realistisch, wahrscheinlicher hingegen, dass der Plan war, die Stimmung im Umfeld mit der Rückholaktion von Heidel zu besänftigen, den eigenen Stand zu festigen und mit der Entlassung Schröders zusätzliche Sympathiepunkte zu gewinnen.
Nach der Niederlage gegen den direkten Konkurrenten Werder Bremen kündigte Präsident Stefan Hofmann bereits an, alles komme auf den Prüfstand. Eine offene Degradierung Schröders wäre jedoch ein klares Indiz für eine Kompetenzüberschreitung seitens des Aufsichtsrats gewesen und so glühte der kurze Draht zur Presse. Jeder einzelne Schritt Heidels und jede Überlegung kam an die Öffentlichkeit und schwächte Schröders Position über die Woche vor dem Pokalspiel gegen Bochum mehr und mehr. Alles gipfelte in einer skurril anmutenden Pressekonferenz, auf der Detlef Höhne sein Verhältnis zu Rouven Schröder in blumigen Worten und Bildern beschrieb, sodass man von einer innigen Bromance zwischen Höhne und Schröder ausgehen müsste. Man habe sich tief in die Augen geguckt… mehrmals. Schröder sei ein grader Kerl, der jetzt selbstlos auf eine Abfindung verzichtet habe und er werde dem Verein übergangsweise helfen, eine Aussage, die die gesamte PK als Farce enttarnt hat. Wäre das Verhältnis zu Schröder so tadellos wie beschrieben, hätte keinerlei Notwendigkeit bestanden, eine solche Situation kurz vor einem Pokalspiel und der Wintertransferphase auszulösen. Jetzt zieht sich der angeblich gekränkte Schröder zurück und Heidel, der große Retter naht. Wenn vielleicht so nicht beabsichtigt, so wurde der Abgang Rouven Schröders zumindest billigend in Kauf genommen.
Doch da gibt es ein Problem: Der große Retter hat sich Bedenkzeit erbeten. Denn erstens war Heidels Rückkehr an einen Verbleib von Schröder geknüpft und zweitens will der ehemalige Sportmanager nicht mehr in die erste Reihe zurück. Nach Schröders Weggang hat Heidel nach der gestrigen PK die Pistole auf der Brust: Rette den Verein, oder sieh zu, wie dein Erbe den Rhein runtergeht. Das ist kein Umgang mit einer Vereinslegende und ein zukunftsfähiger Plan ist es erst recht nicht. Zudem ist es ein offenes Geheimnis, dass Heidel kein Freund von Höhne ist. Doch diesem scheint der Erhalt des eigenen Einflusses mit Abstrichen wichtiger zu sein, als dass er das Risiko einer Abwahl bei der anstehenden digitalen Mitgliederversammlung hinnehmen würde.
Rouven Schröder ist mit Haut und Haaren Mainzer gewesen und mit Herz und Hand 05er. Ihn konnte man in der Sessionszeit in Gardeuniform auf der Augustinergasse treffen. Er heiratete und richtete sich ein Leben in Rheinhessen ein, verzichtete in Folge von Corona mit am meisten auf Gehalt zum Wohle des Vereins, das er nun offensichtlich nicht einmal zurückfordert. Ob man sein Handeln in allen Phasen befürwortet hat oder nicht, als Fan sollte man ihm unterm Strich dankbar sein. Auch Schröder hat zweifelsohne Fehler gemacht, trägt aber mit Sicherheit nicht die alleinige Schuld an der momentanen Misere. Wer glaubt, jetzt würde alles besser, verkennt die Lage. Die Mannschaft rast ungebremst auf die 2. Bundesliga zu und die Zukunft von Trainer Jan-Moritz Lichte ist vor dem Pokalspiel gegen gut aufgelegte Bochumer ungewisser denn je. Was passiert ist, lässt sich nicht ändern, aber vor einer Transferphase, in der Leihen möglich wären, steht Mainz mit einem derangierten Trainer ohne sportliche Leitung dar. Das alles erhöht den Druck auf Heidel und verunsichert die Mannschaft.
Michael Wellings Wechsel unter der Woche offenbarte bereits abseits der sportlichen Handlungsebenen interne Ränkespiele. Jetzt, ohne sportliche Perspektive heißt es nicht mehr „Mainz bleibt.“, sondern auf allen Ebenen „Mainz bröselt.“
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6 Kommentare
Ich teile diese klugen und fundierten Einschätzungen. Besonders die Beschreibung der unguten Rolle von D. Höhne ist richtig. Er sucht nur den persönlichen Vorteil und hat von Fußball im Profibereich wenig Ahnung.
Ich bin fassungslos und wütend über das Verhalten des Aufsichtsrats. Die treten die Mainzer Werte mit Füßen und merken noch nichtmal, dass es deren Entscheidungen sind, die Mainz nicht nur fußballerisch, sondern auch bei der Gewinnung von neuen Fans (und halten von alten) komplett an Boden verliert. Durch die ganze Geschichte wandelt sich Mainz vom sympathischen Karnevalsverein zur Schalke nacheifernder Lachnummer.
Ich kann nur hoffen, dass Detlef Höhne abgewählt wird. Und stattdessen jemand zur Wahl steht, der Mainz 05 und nicht Macht lebt.
Grad ein paar der Kommentare unter den Artikeln der AZ gelesen. Da denkt man offenbar das Gegenteil. Da wird Höhne gefeiert wie er Schröder zum Rückzug gebracht hat. Man könnte fast meinen, das wären irgendwelche Trolle…
Sehr guter Artikel mit sehr viel Sachverstand.
Der Beurteilung des Paddelbootdirektors Herrn Höhne wären einige Dinge hinzuzufügen. Unmöglich wie es ein solcher Mensch in den Vorstand geschafft hat. Das ist reine Profilierungsneurose.
Ich bin schon sehr lange inaktives Mitglied und überlege mir derzeit auszutreten oder mich mehr zu engagieren.
Wie sagte der Sky Sprecher nach den letzten Bundesligaspielen:
Man muss schon Fan sein um sich das anzutun!
Ich frag mich nur : Wie lange noch!
Eines darf man aber nicht vergessen: Schröder hat Spieler mit Blick auf Wirtschaftlichkeit verpflichtet, jedoch dabei weniger auf die Mentalität dieser geachtet. Nun hat Mainz 05 etliche hochtalentierte Spieler, aber keine Mannschaft mehr. Diese Spieler werden im Abstiegskampf, der eigentlich eher als Existenzkampf zu bezeichnen ist, nicht wirklich nützlich sein, egal wer dann der bedauernswerte Trainer sein wird. Lieber mit jungen Spielern aus der U23 in diesen Kampf ziehen, als mit Söldnern, die nach einem Abstieg ohne weiteres einfach weiterziehen werden. Falls der Klassenerhalt trotz der immensen Problemen geschafft werden sollte, müsste als nächstes ein Restrukturierung im Verein stattfindet, ein Verein wie die 05er mit einem aufgeblasenen Aufsichtsrat, dem jede echte Kenntnis und Kompetenz im Profifußball fehlt, ist völlig lachhaft, und mit das größte Hindernis für eine weitere Zukunft im Profifußball.
Man mag es sich gar nicht ausmalen, Mainz 05 nächste Saison in der Opel Arena gegen den SV Sandhausen vor 6.000 unentwegten Fans …
Das Schöne für einen Journalisten ist doch, dass dieser sich auf die kritische Beschreibung der Umstände beschränken kann. Eine kritische Situation bedarf jedoch Handlungen, um eine Verbesserung herbeizuführen. Ob die aktuellen Handlungen des Aufsichtsrats ( Höhne ist als Vorsitzender vor allem Sprecher ) so schlecht sind, wird sich zeigen. Aus meiner Sicht ist Mainz 05 am Tiefpunkt angelangt und befindet sich im Umbruch, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Das man Heidel zurückholen möchte, ist richtig und strategisch die wichtigste Entscheidung. Ja, Sandro Schwarz hatte Mainzer DNA aber auch bereits schon eine falsch zusammengekaufte Mannschaft zur Verfügung. Meine Devise lautet weniger ausländische Nachwuchsstars wie Mateta und neben dem eigenen Nachwuchs erfahrene Spieler die einen absoluten Einsatzwillen mitbringen.