Ein Gastbeitrag von Steffen Görsdorf
Institut für Spielanayse mit dem Podcast „read the game“
Mainz 05 erarbeitet sich einen Punkt in Dortmund. Dass die Art und Weise, wie der Punkt erkämpft wurde, kein Mittel ist, um eine gesamte Saison zu bestreiten, darüber sind sich die Beobachter*innen dieses Spiels einig. Es könnte jedoch der Hebel sein, um die nächsten sechs Liga-Spiele gegen die aktuellen Top 10 Clubs der Tabelle zu überstehen und dabei auch Punkte einzuheimsen.
Erst Glück, dann harte Abwehrarbeit
Ein Fußbreit mehr und die gesamte Geschichte des Spiels hätte in eine andere Richtung kippen können. Denn dann hätte Meunier nach zwei Minuten nicht im Abseits gestanden und der Treffer von Haaland gegolten. Genauso beachtlich wie diese ersten 120 Sekunden der Partie war die Leistung der Mainzer Defensive. Denn eine vergleichbare Szene wie beim Abseitstreffer kam bis zur 73. Minute nicht mehr vor. Dabei ist genau dieser Spielzug – ein Außenspieler stößt zur Grundlinie durch, gibt von da einen scharfen Ball vors Tor oder in den Rückraum des Strafraums und Abschluss – ein Schlüsselelement der Dortmunder Angriffsbemühungen.
Dortmunds Erfolg ist in dieser Saison grundlegend davon abhängig, dass sie im Umschaltverhalten schnell die gegnerische Abwehr überspielen und Haaland in Position bringen können. Der BVB erzielte so bisher 42 % seiner 32 Tore im Umschaltverhalten (UV), Haaland schoss acht seiner 12 Tore im UV. Konter oder Krisenstimmung heißt das Motto in Dortmund.
Haaland kam bis auf die eingangs beschriebene Szene jedoch nur noch zu einem einzigen Torschuss (Saisonschnitt: ø 2,44 Schüsse pro Spiel). Eben weil Mainz den Dortmundern kaum Raum für ihr schnelles Umschaltverhalten bot. Und wenn dann nach Fehlern im eigenen Spielaufbau. Sowohl der Torchance für Brandt als auch jener für Reus in der ersten Hälfte gingen überhastete Klärungsversuche der Mainzer voraus und eben kein ausgeklügelter Spielaufbau in Schwarzgelb.
Mainz verstreute Treibsand, Dortmund versank darin
Vergleicht man die Heatmaps von Dortmund beim Spiel in Leipzig und gegen Mainz kann man sehr gut sehen, dass der BVB seltener in den Strafraum gelang und stattdessen im Niemandsland des Spielfelds zu versinken drohte (rote Bereiche = viele Ballkontakte). Dafür brachte Mainz verschiedene Qualitäten bzw. Tugenden ein. Am Ende lief Mainz 05 10 km mehr als die BVB-Spieler. Das Plus an Laufleistung kam vor allem dadurch zustande, dass die 05er konstant darauf bedacht waren, Räume zu verteidigen, Lücken zu schließen und somit den BVB-Spielaufbau zu torpedieren. Wechselte Dortmund die Seite, verschoben die Mainzer gleichfalls bzw. waren längst da. Das Hase und Igel Spiel im Jahr 2021.
Taktische Fouls gegen die Spielfreude
Wo laufen und pressen allein nicht genügten, wurde gefoult. Insgesamt 19 Mal foulten die Mainzer Spieler ihre Gegner (BVB 10x). Kein Zufall, dass Bellingham (5x), Reus (4x), Brandt (3x) zu den am häufigsten attackierten Spielern gehörten. Gleichfalls kein Zufall, dass die meisten Fouls der Mainzer auf den Flügeln und weit vom Strafraum entfernt gesetzt wurden. Bevor es also für die 05er gefährlich werden konnte, setzte es was. Das entnervt den Gegner dann schon mal. Zugleich war es ein weiterer Bremsklotz für das schleppende Dortmunder Aufbauspiel.
Mangelnde Abgezocktheit bringt Mainz um den Sieg
Sicherlich kann man in Anbetracht des vergebenen Reus-Elfmeters vor allem Dortmund ankreiden, dass sie einen Sieg verpasst haben. Aber auch Mainz hätte trotz nur 31 Prozent Ballbesitz, lediglich drei Schüssen auf das gegnerische Tor sowie gerade einmal 250 gespielten Pässen (BVB: 718 Pässe) durchaus als Sieger vom Platz gehen können.
Entscheidend war hüben wie drüben die mangelnde Ruhe bei Bällen im Strafraum. Wurde man für mangelnde Klärungsversuche in der ersten Hälfte auch dank Robin Zentners Paraden (6 Stück) noch nicht bestraft, war es in der 73. Minute soweit. Reus schickte Moukoko im Strafraum. Niakhate (43% ZK-Quote, bester Wert der 3 IVs) hatte eigentlich alle Vorteile auf seiner Seite, stand zwischen Moukoko und Ball, klärte diesen jedoch nicht und packte sich. Der junge Dortmunder Angreifer setzte nach und passte quer vor dem Mainzer Tor. Zunächst positiv: Der Pass fand keinen Dortmunder, sondern Philipp Mwene. Der Österreicher schien sich jedoch vorher nicht im Raum orientiert zu haben. Statt den Ball unbedrängt anzunehmen und dann zumindest weit zu klären, entschloss sich die Nummer 23 von Mainz für einen überhasteten Ball an die Strafraumgrenze. Meunier nahm dankend an und traf erstmals für den BVB in der Bundesliga. Die Elfmeter-Entscheidung kurz darauf war knifflig. Zugleich bedenklich, warum Hack in der Situation im Strafraum so zur Grätsche ansetzte. „Hack“ muss nicht immer als personifizierter Imperativ daher kommen.
Entscheidender war jedoch die Folgeszene in der Mainz ein letztes Mal im Dortmunder Strafraum auftauchte. Drei Mainzer gegen drei Dortmunder Verteidiger und Roman Bürki im Kasten. Bei Dortmund herrschte mehr Konfusion als Klarheit. Es war zwar beachtlich, dass Latza den Ball an Delaney und Bürki vorbei an den Innenpfosten spitzelte. Ein Pass auf den knochenfreien Onisiwo hätte aber wohl den Mainzer Siegtreffer eingeleitet. Am Ende gingen die 05er mit einem Punkt und einer Blaupause für die Partien gegen Wolfsburg, Leipzig, den VfB, Union Berlin, Leverkusen und Gladbach vom Platz. Man darf gespannt auf die Ausbeute sein.
Das war interessant? Mehr Analysen gibt’s im Podcast „read the game“ des Instituts für Spielanalsye oder unter folgenden Links.
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