Ingvartsen: Der Dirigent des Mainzer Pressing-Orchesters

In der Kategorie #FragSteffen steigt Steffen Görsdorf vom Institut für Spielanalyse für uns in die Untiefen der Analyse ab, um einzelne Elemente des Spiels von Mainz 05 offenzulegen. Diesmal hat er sich Marcus Ingvartsen vorgenommen.

Marcus Ingvartsen war der große Match-Winner beim 3:0-Auswärtssieg in Leipzig. Die Leistung des Dänens war jedoch kein One-Hit-Wonder, sondern der vorläufige Höhepunkt einer erstklassigen Rückrunde. In Zahlen: Seit dem Re-Start der Bundesliga am 16. Spieltag sammelte “Inge” zehn seiner derzeit zwölf Tor-Beteiligungen (errechnen sich aus Tor, Assist, Pre-Assist, Beteiligung im Spielaufbau des Angriffs) in dieser Spielzeit. Am vergangenen Samstag glänzte Ingvartsen als Torjäger zum 1:0, zudem leitete die Nummer 11 von Mainz 05 das 2:0 mit ein und spielte zum 3:0 den Vor-Assist. Mainz reitet somit weiter auf der Erfolgswelle und steckt mittendrin im Rennen um den Europapokal.

Nachdem Inge in der langen Winterpause seine Verletzungsprobleme aus der Hinrunde in den Griff bekam, konnte er sich ab dem Neustart auf dem Platz wieder voll einbringen. Im Mainzer Pressing-Orchester ist Ingvartsen nicht der erste Anläufer, sondern der Dirigent. Genau dieser Taktgegeber fehlte Mainz oftmals in der Hinrunde, als man bereits erfolgreich gegen den Ball arbeitete, aber aus der Balleroberung selbst nicht viel machte. Statt Freude über Punktgewinne herrschte oft Ergebnisfrust im Tabellenmittelfeld. Seit dem 16. Spieltag läuft es aber, Mainz schoss 23 Tore, kassierte derweil nur elf Stück.

Inges Intuition: Dem Spiel immer eine Episode voraus

Mainz ist rangiert dieser Tage in der Bundesliga jeweils auf Platz zwei bei den “gewonnenen Zweikämpfen” (2803x) als auch bei den Luftduellen (718x). Inges Beitrag dazu ist übersichtlich, im Ligavergleich aller Stürmer belegt er nur Rang 34. Was den Dänen auszeichnet, ist sein Dirigieren gegen den Ball und sein Wirken unmittelbar nach der Ballerobung. Er hält zunächst den Spannungsbogen bei der Mannschaft hoch. Kein Mainzer lässt nach und jeder sucht fortwährend die optimalere Position, um noch mehr direkten Druck auf den Ball auszuüben.

Was Inge dann abhebt vom Rest, ist, dass er sich im Momentum des Pressings fortwährend für den ersten Kontakt mit Ball positioniert. Mehr als jeder andere orientiert er sich mittels Schulterblick und positioniert sich postwendend neu. Alles soll bereit sein, wenn der Ball erobert wurde und er seine Magie des ersten Kontakts entfalten kann. 

Während Inges Teamkollegen bei den absolvierten Kilometern und Sprints in den Top-Werten der Bundesliga rangieren, gehört der Däne auffälligerweise nur bei den intensiven Läufen zur Top 5 auf seiner Position. Inge sprintet weniger, sondern intensive Meter mit einer Idee. Er ist oft die erste tiefe Pass-Station nach der Balleroberung von Mainz 05, gerade gegen Leipzig wurde das sichtbar. Im Optimalfall ist der Däne die erste tiefe Pass-Station und er schließt in Folge des Angriffs auch noch ab. Auch das tritt oft ein: Bei 33 seiner 47 Torschuss-Beteiligungen in dieser Spielzeit sorgte er selbst für den Abschluss. Gegen Leipzig waren es 3 eigene Abschlüsse, ein Pre-Assist und eine Beteiligung im Aufbau. Pure Effizienz: Von den 5 Torschuss-Beteiligungen fanden 3 Stück den Weg ins Tor.

Zehner & Stürmer: Das beste aus beiden Positionen

Inge stellt einen Hybrid-Spieler dar: halb 10er, halb Stürmer. Wie Max Kruse in seinen besten Momenten. Durch sein Handeln ist Inge dem Spiel immer einen halben Schritt voraus. Und eben weil er im Kopf bereits eine Episode voraus agiert, sorgt er für die direkte Belohnung, die ein Team wie Mainz 05 für seine Pressing-Intensität auf dem Platz dringen benötigt: Die Herstellung von Ballkontrolle und Tiefe.

Denn eine Balleroberung ist wertlos, wenn danach die Ballkontrolle direkt wieder verloren geht. Es frustriert und demoralisiert ein Team regelrecht, wenn die ganze Rennerei durch einen miesen ersten Kontakt danach zunichte gemacht wird. Inges Qualität ist es, den ersten Ball oft mit einem sauberen ersten Kontakt weiterzuleiten, regelmäßig sogar mit der Entwicklung von Tiefe. Das zeichnet Mainz in diesen Wochen aus und lässt Marcus Ingvartsen derart erfolgreich performen.

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